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Working out Loud – Mindset Shift mit Methode

Zur erfolgreichen Umsetzung der digitalen Transformation bedarf es vor allem einer Veränderung der Unternehmenskultur. Dies stellt jedoch viele Unternehmen vor große Herausforderungen. Sind sich die meisten Unternehmen der digitalen Herausforderungen und des notwendigen kulturellen Wandels mittlerweile bewusst, so besteht oftmals Ratlosigkeit wie dieser Wandel in der Praxis umgesetzt werden kann, neue Denk- und Arbeitsweisen etabliert werden können und die unternehmensübergreifende Vernetzung zu gefördert werden kann.

Ein Ansatzpunkt die interne Vernetzung zu fördern, bietet Working out Loud (WOL), zu Deutsch „laut arbeiten“. Working out Loud ist eine neue Haltung der Zusammenarbeit, in der Wissen und Netzwerke bewusst geteilt werden. Die von John Stepper entwickelte Selbstlernmethode dient dazu, sich seinem Netzwerk mehr zu öffnen und dieses durch Teilen und Helfen bewusster zu unterstützen.

Die 5 Kernelemente von Working Out Loud

1. Deine Arbeit sichtbar machen — Arbeitsergebnisse, auch Zwischenergebnisse, veröffentlichen.

2. Deine Arbeit verbessern — Querverbindungen und Rückmeldungen helfen, Deine Ergebnisse kontinuierlich zu verbessern.

3. Großzügige Beiträge leisten — biete Hilfe an und stell Dich nicht selbst in Vordergrund.

4. Ein soziales Netzwerk aufbauen — baue interdisziplinäre Beziehungen auf, die Dich weiterbringen.

5. Zielgerichtet zusammenarbeiten — nur so kannst Du das volle Potential von WOL ausschöpfen.

Das Grundprinzip gestaltet sich dabei folgendermaßen: 4-5 Personen schließen sich zu einem sogenannten Circle zusammen, der insgesamt 12 Wochen läuft. In den Circles lernen die Teilnehmenden die oben genannten Prinzipien umzusetzen. Dies geschieht mithilfe von Circle Guides, die pro Woche eine klar definierte Aufgabe für die Teilnehmenden bereithalten. Zudem definiert jedes Circle-Mitglied zu Beginn der 12 Wochen ein Ziel, welches mithilfe des Circles erreicht oder vorangebracht werden soll.

Interne Vernetzung fördern mit Working out loud: Ein Bericht aus der Praxis — Interview mit Julia Weber

Julia Weber arbeitet bei ZF Friedrichshafen im Bereich Digital Change Orchestration und hat WOL als Graswurzelbewegung im Unternehmen initiiert. In einem Interview hat sie uns von ihren Erfahrungen berichtet.

Birte (Baumgartner & Co): Wie erklärst du jemandem Working out Loud, der noch nie davon gehört hat?

Julia (ZF Friedrichshafen): Im Prinzip ist WOL ein Mindset wie ich arbeite – offen, transparent, großzügig und zielgerichtet und in einem Netzwerk, das ich mir aufbauen kann. Grundsätzlich geht es darum Ziele mithilfe von Netzwerken zu erreichen. Dabei nutze ich die Netzwerke jedoch nicht im klassischen Sinne von „ich komme und möchte etwas von dir“ sondern im Sinne der Großzügigkeit „Ich gebe etwas ohne dafür eine Gegenleistung zu erwarten“. WOL bietet eine Möglichkeit dieses Mindset mithilfe der Circle Guides schrittweise zu erlernen.

Birte: Wie bist du persönlich auf das Thema Working out Loud aufmerksam geworden?

Julia: ZF ist Teil eines Benchlearn-Projekts, bei dem einige Industrieunternehmen teilnehmen. Bei einem unserer Treffen haben Bosch und Daimler davon berichtet, dass sie gerade Netzwerktreffen aufbauen und WOL in der Praxis umsetzen. Ich hatte von dem Thema bereits zuvor schon gehört, wusste aber bis dato nicht, dass es auch ein Buch dazu gibt. Nach diesem Treffen habe ich mir das Buch sofort bestellt und mir Kollegen*innen geschnappt, um die Methode WOL auszuprobieren. Wir haben dann den ersten Circle gemeinsam gestartet. WOL hat mich dabei total abgeholt.

Birte: Was gefällt dir an Worklng out Loud so gut?

Julia: Ich konnte mich nie mit der klassischen Idee des Netzwerkens identifizieren. Der Ansatz, dass ich zielgerichtet auf jemanden zugehen muss, damit er mir hilft und ich im Anschluss eine Gegenleistung schuldig bin, hat mich immer gestört. Deshalb war ich lange Zeit auf der Suche nach mehr Erfüllung und einer Art zu arbeiten, die mehr ist als in einem Büro zu sitzen und allein an seinen Aufgaben zu arbeiten. WOL hat mir einerseits gezeigt hat, dass ich nicht allein mit diesem Bedürfnis bin. Andererseits hat es mir eine konkrete Methodik an die Hand gegeben, mit der ich eine andere Art des Arbeitens und Netzwerkens umsetzen kann. Dabei stehen vor allem das gemeinsame Erarbeiten und Erschaffen von Dingen im Vordergrund. Es hat mich darin bestätigt, dass es auch anders als das „klassische Netzwerken“ geht.

Birte:  Wie hat dir Working out Loud bisher persönlich geholfen?

Julia: Seit ich WOL mache, habe ich ausschließlich positive Erfahrungen gesammelt. Einer der Hauptpunkte dabei war, zu erkennen, dass ich als Mitarbeitende meine Stimme, meine Erfahrungen und mein Wissen innerhalb der Organisation sichtbar machen und teilen kann — auch zu Themen, die normalerweise außerhalb meines Tätigkeitsbereichs liegen. Das war für mich ein echter Aha-Moment: Zu merken, dass ich etwas beitragen kann und vor allem darf. Damit bekomme ich auch Aufmerksamkeit und Wertschätzung innerhalb der Organisation. Beispielsweise werde ich zu Gesprächsrunden eingeladen und bin in verschiedenen Hierarchiestufen bekannt und vernetzt. Es geht mir dabei nicht darum als „Super-Experte“ für ein Thema entdeckt zu werden. Es geht darum, dass ich jetzt Zugang zu neuen Möglichkeiten im Unternehmen und Gestaltungsspielräume habe — unabhängig davon, was in meinem Jobprofil steht. Das ist auch der größte Motivator für mich, WOL bei ZF weiter zu treiben. Ich möchte jedem diese Möglichkeiten geben und erreichen, dass so viele Kollegen wie möglich diese Aha-Momente erleben.

Birte: Du hast Working out Loud bei der ZF gestartet — wie hast du das angestellt?

Julia: WOL ist bei ZF als klassische Graswurzel-Initiative gestartet. Wir haben einfach Kolleg*inne gefragt, ob sie bei den Circles mitmachen. Als wir gemerkt haben, dass das eine Methode ist, die mehr Aufmerksamkeit verdient, haben wir John Stepper angeschrieben und gefragt was wir tun können. Da er sowieso in Deutschland war, hat er angeboten zu uns zu kommen und live von WOL zu berichten. Bis zu diesem Punkt waren wir eine Art U-Boot, das außerhalb der Aufmerksamkeit des Vorstands fungiert hat. Als es aber um die konkrete Planung des Events mit John Stepper ging, brauchten wir natürlich Budget und mussten so das erste Mal auftauchen und ein offizielles „Go“ einholen. Bis zu einem Tag vor dem Event war deshalb nicht klar, ob es tatsächlich stattfinden könnte. Letztlich ist aber alles gut gegangen. 250 Leute haben teilgenommen und es wurden am selben Tag noch 14 Circles gestartet. So ist unsere WOL-Initiative nach und nach gewachsen. Inzwischen sind wir schon eine schlagkräftige Gruppe mit über 300 Leuten in 61 Circles, die virtuell oder persönlich und auch international stattfinden.

Birte:  Gab es auch Widerstände bei der Einführung?

Julia: Natürlich gab es am Anfang sehr skeptische Stimmen. Die Methode wurde als esoterisch oder erweiterte Alternative zu „Weight Watchers“ abgestempelt. Wenn du in einer Organisation damit anfängst Silos und Hierarchien abzubauen, Wissen zu teilen und Mitarbeitenden eine Stimme zu geben, dann ist das für viele auch beängstigend. Zudem waren wir am Anfang auch mehr wie ein Elefant im Porzellanladen unterwegs und haben Kolleg*innen mit diesem Auftreten vielleicht auch überfordert. Das tut mir einerseits leid. Andererseits wären wir heute nicht dort, wo wir sind, wenn wir nur mit Samthandschuhen agiert hätten. Inzwischen haben wir es so weit gebracht, dass uns zumindest niemand mehr Steine in den Weg legt. Unser Personalvorstand und der CEO kennen das Thema und WOL ist in unserer digitalen Strategie als Befähigter für die digitale Transformation festgeschrieben. Wir sind zwar noch nicht am Ende, aber an einem Punkt wo WOL auf jeden Fall gewünscht und gewollt ist.

Birte: Working out Loud dient auch dazu ein persönliches Ziel mithilfe des Netzwerks zu erreichen. Kannst du ein Beispiel dafür geben, welche Ziele das sein können?

Julia: Grundsätzlich gibt es keine Regeln dafür wie dein Ziel auszusehen hat. Es kann privater oder beruflicher Natur sein. Es sollte aber motivierend und wirklich relevant für dich sein, sodass du die 12 Wochen auch dranbleibst. Das kann die Fertigstellung einer Masterthesis, die Wiederaufnahme eines alten Hobbies oder im beruflichen Sinne die Etablierung einer Experten-Community zu einem bestimmten Thema sein. Der Circle hat dabei zwei Funktionen: Zum einen ist er eine Art Metaebene von WOL. Ich nutze die anderen Circle-Mitglieder als Motivatoren zur Erreichung meines Ziels. Zum anderen können diese Leute auch neue Perspektiven auf die jeweilige Zielstellung eröffnen und so Tipps, Kontakte oder Hinweise geben, die ich selbst bisher nicht gesehen haben. Die Circles helfen also auch dabei „out of the box“ zu denken und neuen Input zu bekommen. Wichtig ist, dass das gesteckte Ziel nicht innerhalb der Circle bearbeitet und beendet wird. Dies findet außerhalb der Circles statt. Der Circle fungiert damit als eine Art Sounding Board.

Birte: Du sprichst davon private Ziele während der Arbeitszeit voranzutreiben – Ist das denn unternehmerisch sinnvoll?

Julia: Das ist eine häufig gestellte Frage. Letztendlich haben wir entschieden, dass die Änderung des Mindsets unserer Mitarbeitenden im Fokus unserer Arbeit stehen soll. Dabei ist egal, ob dies mithilfe privater oder beruflicher Ziele geschieht. Fängt ein Mitarbeitender an, neu über die Art von Zusammenarbeit und Netzwerken zu denken, so ist es wahrscheinlich, dass er diese neue Grundhaltung nicht nur im privaten Kreis anwendet, sondern auch in sein berufliches Leben überträgt.

Birte: Was passiert nach den 12 Circle-Wochen? Sind danach tatsächlich Verhaltensänderungen spürbar?

Julia: 12 Wochen reichen natürlich nicht aus, um Verhaltensmuster zu durchbrechen, die man jahrelang gelernt und gelebt hat. Trotzdem merkt man eine Veränderung bei denen, die die 12 Wochen absolviert haben. Sie haben oft einen Blick auf Zusammenarbeit bekommen. Sie fragen zum Beispiel früher bei ihren Kolleg*innen nach oder überlegen schon zu einem früheren Zeitpunkt ihre Arbeit sichtbar zu machen und sich Feedback einzuholen. Viele gehen auch nach den 12 Wochen direkt in den nächsten Circle und arbeiten am gleichen Ziel oder einem ähnlichen Ziel weiter, weil sie den Circle als Sounding- und Motivationsboard zu schätzen gelernt haben.

Birte: Du hast gesagt, dass ihr Working out Loud auch als Befähiger für die digitale Transformation seht. Wie genau kann Working out Loud bei der Veränderung zu einer agilen Unternehmenskultur unterstützen?

Julia: WOL ist auf jeden Fall ein Befähiger. Agile Kultur heißt auch in Netzwerken und Communities zu arbeiten und schnell zu sein. Im digitalen Zeitalter ist die Welt so komplex und so schnelllebig. Da kann ich nicht alles allein erarbeiten, zu 150% finalisieren und mich am Ende wundern, dass Anpassungen notwendig sind oder ich in eine falsche Richtung gelaufen bin. WOL ist eine Methode, um diese Arbeitsweise stückweise abzulegen und meine Arbeit stattdessen frühestmöglich sichtbar zu machen, Feedback einzuholen und Leute zu finden, die mich bei der Erreichung meines Projekt- oder Arbeitsziels unterstützen. An sich ist WOL keine agile Methode, aber ein guter Ansatz, um ein agiles Mindset zu fördern. Natürlich ist es nicht die Antwort auf alles und kann allein keinen Kulturwandel im Unternehmen umsetzen. Aber es hat auf jeden Fall viele starke Elemente, die einen Wandel begünstigen.

Birte: Welche Tipps gibst du jemanden, der morgen mit Working out Loud beginnen möchte?

Julia: Unbedingt machen und ausprobieren! Wenn man sich nicht wohlfühlt, das intern im Unternehmen zu machen, kann man sich auch privat einen Circle suchen. Es gibt dazu eine Facebook und Linkedin Gruppe  in der man Interessensgenossen und Circle-Mitglieder einfach finden kann. Und sich dabei nicht von abwertenden Kommentaren irritieren lassen. Für viele Leute ist das erstmal eine neue Methode, die natürlich auch bei manch einem aus dem Kolleg*innenkreis auf Ablehnung stößt. Man wird aber um viele tolle Leute und Beziehungen bereichert und entdeckt andere Perspektiven die Dinge zu sehen und zu verstehen. Ich finde das Schlimmste ist es, WOL nicht auszuprobieren. Natürlich ist es am Ende nicht für jeden etwas. Aber probieren sollte es jeder. Falls Fragen zur Durchführung aufkommen, stehe ich auch gerne auf allen üblichen sozialen Netzwerken zu Verfügung, um zu h

elfen.

Vielen Dank Julia Weber, ZF Friedrichshafen, Digital Change Orchestration.

Nicht zuletzt zeigt die Graswurzelinitiative von Julia Weber, dass es für WOL nicht viel braucht und erste Initiativen auch mit geringen Mitteln gestartet werden können. Eine Stunde Zeit pro Woche für die Teilnahme am Circle zu investieren, fällt nicht schwer. Wollen auch Sie die interne Vernetzung fördern mit Working out loud (WOL)? Vielleicht bietet ja Ihre nächste Führungskräftetagung, Betriebsversammlung oder Mitarbeitendenveranstaltung eine passende Gelegenheit, Ihr Unternehmen für WOL und die Kernidee zu begeistern und ein WOL-Experiment im Sinne von Lean Change zu starten?

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